Neandertaler nutzten bereits Arzneimittel!
Sie sind so klein und können so viel verraten! Zähne. Besonders die von Menschen, die nicht mehr sprechen können und deren Sprache nicht einmal bekannt ist. Ja, wir wissen nicht einmal, ob sie überhaupt gesprochen haben. Die Rede ist von den Neandertalern. Ihre Zähne können uns heute einige wichtige Informationen vermitteln, auch wenn ihre Besitzer seit ungefähr 40.000 Jahren tot sind!
Forscher haben Zähne der Urmenschen analysiert und sind dabei zu interessanten Schlußfolgerungen gekommen: Zahnprobleme der Neandertaler aus der Höhle El Sidrón auf der iberischen Halbinsel erweisen sich nun als ein Glücksfall für die Forschung. Wie man im Fachmagazin Nature lesen kann, ernährten sich Neandertaler offenbar sehr vielseitig – und nutzten dabei gezielt Schmerzmittel aus der Natur, um ihre Zahnschmerzen zu lindern. Der Neandertaler ist vor etwa 40 000 Jahren ausgestorben. In jener Zeit machte sich der moderne Mensch in Europa breit. Lange galten unsere ausgestorbenen Cousins als rückständige Höhlenbewohner. Doch mit der fortschreitenden Untersuchung der wenigen Funden in den letzten 20 Jahren kommen neue Erkenntnisse zutage. Das Wissenschaftlerteam um Laura Weyrich und Alan Cooper von der australischen University of Adelaide untersuchte Neandertaler-Zähne aus zwei Höhlen im heutigen Belgien und Spanien. Die Wissenschaftler stießen im Zahnbelag auf Erbgutschnipsel, die sie genauer untersuchten.
„Zahnbeläge halten im Mund lebende Mikroorganismen und Keime aus dem Verdauungstrakt und den Atemwegen unter Verschluss”, erklärt die Mikrobiologin Dr. Weyrich. „Ebenso Essensreste, die zwischen den Zähnen hängen blieben. Die DNA dieser Stoffe bleibt über Jahrtausende erhalten.”
Insgesamt analysierte das Team Erbgut aus dem Zahnstein von vier Individuen. Demnach hatten die Neandertaler, die im heutigen Belgien lebten, erwartungsgemäß viel Fleisch gegessen, sie mussten Mufflons und Wollnashörnern gejagt und erbeutet haben. Dazu gab es wild-wachsende Pilze.
Der spanische Neandertaler war ein Vegetarier
Der “spanische” Neandertaler hingegen ernährte sich offenbar vegetarisch. Hinweise auf Fleisch gaben seine Zähne nicht preis, stattdessen Reste von Pinienkernen und Pilzen. Der untersuchte Neandertaler El Sidrón 1 war den Forschern zufolge allerdings ziemlich krank: Der Mann trug einen Parasiten im Verdauungstrakt (Helicobacter) und litt an Durchfall und hatte einen Zahnabszess. Doch El Sidrón wusste sich offenbar zu helfen: Sein Zahnstein wies DNA-Reste der Westlichen Balsam-Pappel auf.
„Er aß Pappel, die das Schmerzmittel Salicylsäure enthält”, sagt Studienleiter Professor Cooper. Auf Verbindungen der Salicylsäure basiert auch die Arznei Acetylsalicylsäure , die wir heute als Aspirin zu uns nehmen. Dieser Wirkstoff ist auch in der Rinde von Weiden enthalten. „Offenbar kannten sich die Neandertaler gut mit medizinischen Pflanzen aus und kannten ihre entzündungshemmende und schmerzstillende Wirkung”, schließt Cooper.
Die Höhle von El-Sidron ist eine Kalksteinhöhle im Norden Spaniens, genauer gesagt im Hochland von Asturien. Hier wurden prähistorische Felszeichnungen und fossile Überreste von Neandertalern gefunden. 2013 wurde das Alter der Fossilien auf 48.400 mit einer Unschärfe von ± 3200 Jahre geschätzt.
Auf dem Gebiet der Gemeinde Piloña fanden Freizeitforscher im März 1994 bei der Erkundung des Höhlensystems die versteinerten Überreste einer Gruppe von Neandertalern.
Ein Blick ins Leben der Frühmenschen
Mehr als 1800 Schädelfragmente, Unterkiefer, Knochen und Zähne sowie ca. 400 Steinwerkzeuge und Steinabschläge konnten sicher gestellt werden. Die Überreste stammen von mindestens 12 Neandertalern, die höchstwahrscheinlich auch miteinander verwandt waren: von je drei männlichen und weiblichen Erwachsenen sowie von drei Jugendlichen und drei Kindern im Alter von zwei, fünf und acht Jahren. Alle erhaltenen Zähne der Gruppe lassen Zeichen von Nahrungsmangel erkennen. Ein Schädelfragment und ein Stück eines Oberarmknochens wiesen Spuren von Schlägen mit Faustkeilen auf. Die dazugehörigen Neandertaler sind wahrscheinlich eines gewaltsamen Todes gestorben. Schnittspuren und Bruchstellen an den Knochen deuten auf Kannibalismus hin. Kurz nach dem Tod der Gruppe brach der Boden der Höhle ein: Knochen, Erde und Steine stürzten 20 Meter tief in eine von unterirdischem Wasser ausgespülte Kalksteinkammer. Dadurch wurden sie bis heute konserviert und lassen tiefe Einblicke in die Vergangenheit der Frühmenschen zu. Die laufenden Untersuchungen werden noch so manche Überraschung bereithalten.