Kauen wie ein Saurier

Was Saurierzähne uns verraten – Kieler Wissenschaftlerin hat neue Antworten

Die Saurier sind wieder da! Erste Sichtungen im Tegler Forst

Wenn man heute Gänse am Tegeler See durch die Gegend watscheln sieht, würde man nicht vermuten, dass sie in ihrer Familie auch große furchteinflößende Vertreter, die Saurier, hatten. Vielleicht haben die Fossilien des Tyrannosaurus Rex, die gewaltigen Knochen, die Menschen dazu veranlasst, an die Existenz von Drachen zu glauben. Wenn man einen Kiefer des Monsters aus der Urzeit sieht, oder eine Szene von Jurassic Park im Auge hat, kann es einen schaudern. Was haben die großen Echsen gegessen? Haben sie ihre Beute verschlungen, deren Knochen zermalmt oder an ihnen gerissen? Zeugen gibt es keine mehr. Geblieben sind nur die Fossilien und jede Menge Zähne. Einer Kieler Forscherin ist es jetzt gelungen, die Zähne des Killers auf eine ganz neue Art auszuwerten. Daniela Winkler vom Zoologischen Institut der Uni Kiel hat in ihrem Keller einen unscheinbaren, aber bissigen Schatz gehortet. Aus den Zähnen von verschiedenen kultivierten Tieren liest die Forscherin heraus, welche Umweltbedingungen, welches Klima zur Zeit der Gebissträger geherrscht haben. Sie kann dabei eine Zeitreise antreten und Fragen beantworten: Wann wurde der Mensch zum Fleischfresser? Wie haben Saurier gefressen? »Zahnschmelz ist das härteste biologische Material bei Wirbeltieren«, weiß Winkler. Unter guten Bedingungen kann er Hunderte Millionen Jahre unverändert überdauern und Zeugnis für seine Zeit abliefern. Dass man verschiedene radioaktive Isotope aus dem Schmelz herauslesen kann und damit auf die damalige Umgebung Rückschlüsse ziehen kann, war schon länger bekannt. Winkler geht aber noch weiter: Der Kauvorgang an sich hinterlässt im Zahnschmelz winzige Spuren, die es ihr jetzt gelungen ist, auszulesen. Die Spuren verraten den Speisezettel des jeweiligen Tieres. Sie zeigen in etwa, was das jeweilige Tier in zwei Wochen vor dem Tod gegessen hat. Die Spuren auf den Zähnen werden nämlich alle zwei Wochen überschrieben.

Tokio Hotel hat geholfen

Bei einem Gastaufenthalt in Tokio konnte die Kielerin an der dortigen Universität einen Schatz von Zähnen des Tyrannosaurus Rex untersuchen. Es gab nur wenig Spuren, dass die Echse Knochen zerbissen hätte. Dazu muss man wissen, dass der König unter den Saurier ähnlich wie Krokodile immer wieder neue Zähne bekommt. So dass die möglicherweise durch das Durchbeißen von Beuteknochen beschädigten Zähne gar nicht mehr vorliegen und nur die erhalten blieben, die nicht kaputt gingen.

Spuren im Schmelz

Um Spuren im Schmelz sichtbar zu machen, schlüpft die Wissenschaftlerin kurz in die Rolle eines Zahnarztes: Sie nimmt einen Abdruck des jeweiligen Zahns — mit hochauflösendem Silikon. Den Abdruck legt sie dann unter ein Mikroskop. Mikrometer für Mikrometer wird die Negativform abgescannt. Am Ende erhält entsteht ein buntes Bild, das an topografische Karten aus dem Erdkundeunterricht erinnert: Farbwechsel repräsentieren Höhenunterschiede im Zahnschmelz. Sie zeigen, wo Nahrungsbestandteile winzige Furchen im Kauwerkzeug hinterlassen haben. Der Tripp nach Japan hat geholfen, ihren Wissensdurst zu befriedigen. Eine weitere Quelle sind Krokodilzähne. Die Tiere sind den Sauriern sehr ähnlich, auch was die bei ihnen gefundenen Zahnspuren betrifft. Der Austausch mit weiteren Forschern auf diesem Nischengebiet hat ergeben, dass auch die Säugetiere ähnliche Spuren am Zahnschmelz tragen. Die Erfindung des Zahnschmelzes ist in der Evolution wohl recht früh erfolgt. Ganz neue Erkenntnisse verspricht sich Winkler von der Auswertung von Kauleisten von Insekten. Hierzu gibt es weltweit große Schätze zu heben. Weltweit horten naturkundliche Museen umfangreiche Insektensammlungen mit teils mehrere Hundert Jahre alten Exemplaren.

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