Zahnstein – alles Banane oder was?

Was aßen unsere Vorfahren? Fragen kann man sie nicht mehr, sie sind bedauerlicherweise alle tot. Facebook und Co gibt es auch noch nicht so lange, man kann also auch nicht das Internet dazu befragen. Zeitreisen sind Science Fiction, Fotoquellen reichen höchstens 150 Jahre zurück. Bücher aus der Antike überleben manchmal in Höhlen in Form von Schriftquellen, aber häufiger noch in Form von Abschriften von fleißigen Mönchen über die Jahrhunderte gerettet. Und was Schriftsteller notiert haben, muss nicht unbedingt mit der wahren Welt übereinstimmen. Fake News gibt es nicht erst seit heute. Jetzt tut sich eine neue Quelle auf: Zahnstein. Richtig gelesen! Nicht unbedingt beliebt bei Mensch und Zahnarzt, aber mittlerweile hoch geschätzt von Archäologen und Anthropologen. Aus dem lästigen Stoff, der an den Zähnen klebt, kann man große Geschichte ableiten.

Zeitreisen in Zeiten von Corona? Das wäre eine ganz neue Dimension in Sachen Lockdown: Wie soll man da die Grenzen dicht halten?

So belegen Untersuchungen an in unsere Zeit überkommenen Zahnstein, dass die Menschen an der östlichen Mittelmeerküste, der Levante, schon vor 3500 Jahren Lebensmittel aus Süd- und Ostasien verspeisten. Ein internationales Forscherteam hat jetzt in Israel Rückstände unter anderem von Soja, Kurkuma und höchstwahrscheinlich auch Bananen nachgewiesen. So kann man es in Berichten des Teams um Philipp Stockhammer, Ludwig-Maximilian-Universität München, veröffentlicht in den „Proceedings“ der Nationalen Akademie der Wissenschaften der USA nachlesen.


Tel Erani (auch Tell esh-Sheikh Ahmed el-‚Areini) ist eine archäologische Ausgrabungsstätte im Süden des heutigen Israel. Der Ort war über mehrere Jahrtausende besiedelt und ist eine der ältesten Städte in der Region. Heute handelt es sich um einen Hügel mit einer Erhebung im Nordosten, die von den Ausgräbern als Akropolis bezeichnet wird. Eine weitere Erhebung befindet sich im Westen. Die ältesten bisher gefundenen Reste gehören in die Kupfersteinzeit, zur Ghassulien-Kultur. Aus der frühen Bronzezeit (um 3000 v. Chr.) sind intensive Kontakte mit Ägypten bezeugt. (Wikipedia) Seit Neustem wird hier auch Jahrtausende alter Zahnstein „gewonnen“.


Gewürze wie Kurkuma lagern sich im Zahnstein ab. So kann man Rückschlüsse auf die Ernährung ziehen.

Damit werden bisherige Erkenntnisse neu eingeordnet und Zeiträume, in denen der Mensch internationalen Handel trieb und Zugang zu exotischen Produkten hatte, vergrößert – und das sogar um einige Jahrtausende. Heutzutage sind wir verwöhnt und bekommen bei unserem Discounter um die Ecke zu jeder Jahreszeit exotische Früchte aus nahezu jedem Winkel der Welt. Das war natürlich nicht immer so. Die Frage von oben, was unsere Vorfahren aßen, beschäftigt eben auch Wissenschaftler.

Soja-Bohne

Die erste Banane

Jetzt gelang der bislang früheste direkte Nachweis von Kurkuma, Banane und Soja außerhalb Süd- und Ostasiens. Überreste von 16 Menschen aus Gräbern in den beiden Fundorten Megiddo und Tel Erani im heutigen Israel waren untersucht worden. Die über 3000 Jahre alten bronzezeitlichen Gräber fallen damit schon in die frühe Eisenzeit. Dass in der späteren Bronzezeit wertvolle Rohstoffe wie Zinn, Karieol und Lapislazuli über größere Entfernungen gehandelt wurden, wußte man schon. Die Handelsrouten quer durch Asien – von Ägypten und Mesopotamien über das Indus-Tal bis nach China, werden durch bildliche Darstellungen und schriftliche Quellen belegt. Nun analysierten die Forscher bei den menschlichen Überresten aus Israel den Zahnstein, der sich aus Proteinfragmenten, Fettmolekülen und Pflanzenresten zusammensetzen kann.

Eat like an Egyptian!

Bananas

Der Zahnstein einer Person aus Tel Erani sorgte für eine Überraschung. Es liegt nahe, dass der- oder diejenige sich Bananen (Musa) gegönnt, möglicherweise aber auch von dem Bananengewächs Ensete genascht hat. Die ersten Hinweise auf Bananen in der Region stammen bislang aus einem ägyptischen Grab aus dem 5. Jahrhundert – lange nachdem das Obst bereits in Westafrika angebaut wurde. Noch spektakulärer ist aber der Zahnstein eines Menschen aus Megiddo. Hier stießen die Forscher auf Sojaproteine. Soja wird in der Region aber erst seit dem 20. Jahrhundert kultiviert. Es stammt aus China, wo die Pflanze schon vor mindestens 8500 Jahren angebaut wurde. Das Soja hat der Feinschmecker zudem mit Kurkuma gewürzt. Auch davon fanden sich Rückstände im Zahnstein.

Zeig mir deinen Zahnstein und ich sage dir, was du gegessen hast!

Der erste Hinweis auf Kurkuma findet sich in einer schriftliche Quelle aus dem 7. Jahrhundert vor Christus. Da die Überreste aus einem reich mit exotischen Gaben versehenen Sammelgrab entnommen wurden, vermuten die Forscher, dass der Mensch als Händler reiste und die Lebensmittel unterwegs verzehrte, etwa in Südasien. Womöglich hat er auf seinen Reisen einen Markt besucht und an einem prähistorischen China-Imbiß gespeist.

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