Stillkaries

Unser Wissen zu Karies und Parodontose ist heute viel besser als noch vor 30 Jahren. Das kann ich als Zahnarzt in Spandau mit langjähriger Erfahrung gut beurteilen. Gleichsam hat aber die Vielfalt an Süßwaren in dieser Zeit massiv zugenommen und der Einsatz von Zucker in unseren Lebensmitteln ebenso rasant. In den späten 70ern kamen mit dem Ü-Ei, der längsten Praline der Welt und dem bekannten Brotaufstrich – um nur einen Hersteller zu nennen – auf breiter Front Hits für Leckermäuler auf den Markt, die nicht nur die jungen Menschen, sondern auch die in ihren Mündern lebenden Bakterien erfreut haben. Die Karies mag durch eine sich seitdem verbesserte Putzkultur eingedämmt worden sein, gleichsam betrifft sie aber immer früher unsere Kinder.

Mit Stillen auf der richtigen Seite?

Wer da seinen Nachwuchs lange stillt, wähnt sich auf den richtigen Seite. Keine Süßigkeiten, keine gesüssten Tees, nur die gute Muttermilch, da kann doch nichts schiefgehen. Leider doch. Vor 4 Jahren hatte ich einen Spandauer Jungen bei mir, der bereits mit 1,5 Jahren Löcher in den Backenzähen hatte. Was ich zuerst für harmlose Verfärbungen des Zahnschmelzes hielt, war leider ein Kariesbefall. Ein Kleinkind kannst du schlecht auf dem Zahnarztstuhl behandeln, es ist ja noch nicht wirklich ansprechbar.

Soll ich mein Kind unter Narkose behandeln?

Es gibt Experten in Berlin, die das Kind unter Narkose behandeln und die Karies entfernen. Das sind aber privat abzurechnende Leistungen, die zudem fragwürdig sind. Eine Narkose birgt ja auch ein Risiko. Die Eltern des Jungen hatten sich erst für eine solche OP entschieden, sich dann aber doch woanders Rat eingeholt. Anders als bei bleibenden Zähnen greift die Karies langsam den Milchzahn an. Vergleichbar mit einem Vorgang des Rostens. Der Nerv hat Zeit zu weichen und es kommt so verzögert oder gar nicht zur Schmerzbildung. Wenn Milchzähne ausfallen, weil die neuen nachrücken, geschieht das ja auch ohne Schmerz. Wichtig ist, das “Rosten” möglichst lange hinauszuzögern und den Zahn zu erhalten. Er ist letztendlich ein Platzhalter, den ich als Zahnarzt in Spandau nicht einfach ziehen kann. Alle anderen Zähne würden sich verschieben, wenn dort längeren Zeit eine Lücke stünde.

Erstmal abstillen

Für den Jungen mit der Stillkaries empfahl ich der Mutter, alsbald abzustillen. Der Junge hatte zudem ein auffälliges Stillverhalten, er nuckelte gerne an seiner Mutter Brust und ließ sich am liebsten alle zwei Stunden die Brust geben. Auch nachts. Daher konnte sich der Zahnschmelz nicht verfestigen und die Kariesbakterien hatten leichtes Spiel. Wir haben es geschafft, den “Rost”-Prozess aufzuhalten bzw. regelrecht einzufrieren. Nachdem das Kind mit 4 Jahren auch ansprechbar war und er Vertrauen gefasst hatte, konnten wir auch die Löcher in Angriff nehmen und sie reinigen und verfüllen. Mittlerweile ist der Junge 5,5 Jahre alt. Seine Karies ist nicht mehr gewachsen und es sieht gut aus, dass er kariesfrei bleibt, wenn er weiter seine Zähne so gut putzt wie er es derzeit tut. Als Zahnarzt bin ich sehr zufrieden mit so einem einsichtigen Patienten.

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